Magdalena Saiger, Foto: Tara Wolff

Magdalena Saiger wird für ihren Roman »Was ihr nicht seht oder Die absolute Nutzlosigkeit des Mondes« ausgezeichnet

»Wer kann schon damit rechnen, dass es das gibt: dass jemand aufbricht, sein Leben aufgibt, wie es doch recht glatt lief zuletzt, und sucht sich einen Ort, der einem Nirgends nahekommt, sehr nahe.«

Magdalena Saiger, geboren 1985, studierte Germanistik und Geschichte in Berlin und Madrid, seit 2011 lebt und arbeitet sie in Hamburg, seit 2015 Promotion im Fach Geschichte an der Universität Hamburg. 2012 wurde sie mit einem Förderpreis für Literatur der Stadt Hamburg ausgezeichnet. 2018 war sie mit dem Kinderhörspiel »Wolle und der Sommer« zum Festival »Leipziger Hörspielsommer« eingeladen, 2014/15 und 2019 erschienen Auszüge aus den Romanen »Andernorts« und »Am Wasser das Haus« im »ZIEGEL – Hamburger Jahrbuch für Literatur«.

Laudatio

Was Ihr nicht seht, das beschreibt ein namenloser Erzähler seinem Publikum in einem Text, den »nie jemand lesen« wird, so heißt es gleich im ersten Satz. Ein Papierlabyrinth nämlich, ein begehbares Kunstwerk will er an einem unauffindbaren Ort bauen, den er selbst nur mühsam über Google Maps gefunden hat, da, wo die Rasterung unscharf wird. In diesem Hinterland bei der Autobahn findet er eine verlassene Lagerhalle vor, die für sein Vorhaben geeignet scheint, seine Planung nimmt Formen an. Doch eines Tages taucht eine zweite Figur auf, von der ersten Giacometti genannt. Der stammt aus dem Dorf, das hier abgebaggert wurde, um einem bald wieder aufgegebenen, weil unergiebigen Kohleabbaugebiet Platz zu machen. Von allen Bewohnern hat sich Giacometti als einziger nicht umsiedeln lassen, er verwahrt das Dorf in sich und all seine Geschichten, die er nachts, an der Abbruchkante des abgebaggerten Restlochs, dem Künstler erzählt: »Wir sind ununterscheidbar, zwei Punkte im Raum, zwei einsame, aller Welt entfremdete Wesen, zwei Satelliten, die unerreichbar um ihr je eigenes schwarzes Loch kreisen.«
Magdalena Saiger lässt ihre Figur so wütend und so philosophisch zugleich, so klug und dabei subtil witzig sprechen, dass man sich diesem Sog kaum entziehen kann. Als Lesenden bleibt uns nichts anderes übrig, als den Figuren ins Labyrinth zu folgen. Was immer uns da noch erwarten mag – auf jeden Fall offenbart uns dieser Roman eine großartige Literatin. Herzlichen Glückwunsch!
Katharina Picandet