Peter Thiers, Foto: Tara Wolff

Peter Thiers gewinnt mit seinem Drama »Paradiesische Bauten«

Der Ort: spärlich renoviert, verstreute Einzelteile, lediglich eine Ahnung vorheriger Nutzung. Eine Garage – oder ein anderer Nicht-Ort, in dem kaum mehr stattfindet als ein Versprechen. Die Zeit: Nicht so spät wie erhofft.

Peter Thiers, geboren 1991 in Gera, studierte Dramaturgie an den Hochschulen für Musik und Theater in Leipzig und Hamburg. 2011 veröffentlichte er den mehrfach ausgezeichneten Poetry-Film »Schlaf.Störung«, bis 2014 war er Mitglied der Leipziger Lesebühne »Stubenreim«. Sein Poetry-Film »Echo« wurde im Wettbewerbsprogramm des DOK Leipzig 2014 gezeigt. Im Herbst 2016 lud das Generalkonsulat Danzig seine Regiearbeit »Tod eines Jägers« zur Deutschen Woche ein, 2017 war er Stipendiat des Literaturhaus Rostock. Von 2017 bis 2020 war er Regieassistent am Thalia Theater Hamburg. Für sein Theaterstück »Warten auf Sturm« erhielt er den Kleist-Förderpreis 2019.

Laudatio

Es ist ein Szenario, das vertraut und grotesk zugleich ist: Eine Wohnungsbesichtigung. Zwei Menschen mittleren Alters, ein Mann, eine Frau, interessieren sich für das angepriesene Mietobjekt, ein »Loft«. Es stellt sich heraus: es ist ein schäbiges Objekt, nur eine umgebaute Garage. Der Makler des globalen Immobilienkonzerns »Paradise« tritt pompös auf, entlarvt sich selbst aber binnen kürzester Zeit als Null, voll drauf auf Psychopharmaka, seinem Beruf überhaupt nur noch gewachsen, weil eine künstliche Intelligenz an seiner Seite steht, die Computerassistentin Dea (der Anklang an die lateinische »Göttin« ist bestimmt nicht unbeabsichtigt). Aus einer Grundkonstellation von hohen Erwartungen und niederen Instinkten macht Thiers ein Theaterstück, das relevant und rasant ist, aktuell, politisch und wortgewitzt. Eine Gegenwart, die zerfressen ist von den Heuschrecken internationaler Immobilienfonds scheint ein eher trockenes, düsteres Thema – hier ist es eine furiose Abrechnung mit dem Neoliberalismus. In zwei atemlosen Akten selbstermächtigen sich die zwei nur vermeintlich hilflosen Mietwilligen. Sie versuchen, den Makler und einander auszutricksen. Es entsteht eine hochgepitchte Alltagssituation, in der zunehmend jede gegen jeden antritt. Auch die künstliche Intelligenz »Dea«, die eigentliche Strippenzieherin. Es ist große Kunst, wie Peter Thiers seine Figuren lügen, sich gegenseitig demontieren und mit perfiden Finten kämpfen lässt – nüchtern, schnodderig, boshaft und pointiert auf den Punkt – aber erstaunlicherweise nicht ohne Empathie. Mehr geht nicht.
Natascha Geier