Cornelia Wend, Foto: Tara Wolff

Cornelia Wend erhält einen Übersetzerpreis für ihre Übersetzung von Élisabeth Filhols »Doggerland« aus dem Französischen für die Edition Nautilus

Dieser Roman ist für die Übersetzerin in zweifacher Hinsicht eine große Herausforderung, zum einen durch den großen Rechercheaufwand zu einem breit gestreuten Themen-Spektrum, das von Meteorologie über Geologie und Paläontologie bis hin zur Öl- und Windkraftindustrie reicht, und zum anderen durch den Stil der Autorin, deren wie von Windböen angetriebene, umherwirbelnde Sätze sich nur schwer greifen und in einen geregelten Satzbau zwingen lassen.

Cornelia Wend, geboren 1965, studierte Romanistik und Germanistik in Hamburg und Rouen. Seit 1994 ist sie als freie Autorin und Übersetzerin tätig. Sie hat unter anderem Jérôme Leroy, Patrick Pécherot, Paul Colize und Chloé Mehdi übersetzt. Im August 2018 war sie als Residenzstipendiatin der Kulturbehörde im Château de Millemont im Frankreich.

Laudatio

Élisabeth Filhol hat sich bereits in ihrem vielbeachteten Debüt »Der Reaktor«, in dem es um Wanderarbeiter in der Atomindustrie ging, mit der Welt der Arbeit und den mit dem technologischen Fortschritt einhergehenden Risiken auseinandergesetzt. In »Doggerland« setzt sie diese Reflexion fort. Im Mittelpunkt stehen zwei Geologen*innen, Margaret Hamilton und Marc Berthelot, vor zwanzig Jahren an der Uni ein Paar. Margaret hat sich der archäologischen Erforschung des Doggerlands verschrieben, einer Untiefe in der Nordsee, die in der Steinzeit besiedelt war. Marc hingegen hat eine abenteuerliche und lukrative Karriere in der Ölindustrie gewählt. Nun, 2013, können sie sich bei einem Kongress in Esbjerg wiedersehen. Doch am Vorabend ihrer Anreise wird Warnstufe Rot ausgerufen: Orkan Xaver nähert sich Nordeuropa. Der Roman folgt dem Weg des Sturms und seiner zunehmenden Stärke; Xaver erweckt die Geister des Doggerlands und die Erinnerungen der beiden an ihre gemeinsame Zeit zum Leben, er fördert alte Bruchlinien zutage. Die Erzählstimme ist dabei kühl und sachlich, schreibt kenntnisreich und hochkomplex über Meteorologie, Geologie, Archäologie. Bei aller fast sachtextartigen Detailtreue gelingt es Filhol, stilistisch eine untergründige Dynamik zu entfalten, entsprechend dem Meer, das sich im aufziehenden Sturm mit erst mit Verspätung erhebt. Dass diese kaum zu bändigende Kraft von Sprache und Sturm sich auch in der deutschen Übersetzung nachvollziehen lässt, ist das große Verdienst Cornelia Wends.
Katharina Picandet