Ursel Allenstein, Foto: Tara Wolff

Ursel Allenstein gewinnt mit ihrer Übersetzung von Jonas Eikas Erzählband »Efter solen / Nach der Sonne« aus dem Dänischen für Hanser Berlin

Jonas Eika widmet sich in seinem Erzählband den extremen Gegensätzen, die der Kapitalismus und die Globalisierung überall auf der Welt hervorgebracht haben, den Profiteuren ebenso wie den Ausgebeuteten, wobei die Trennungslinie in seinen raffiniert gearbeiteten Texten nie ganz eindeutig auszumachen ist.

Ursel Allenstein, geboren 1978 in Frankfurt, studierte Skandinavistik und Germanistik in Frankfurt am Main und Kopenhagen und lebt seit 2007 als freie Übersetzerin aus dem Dänischen, Schwedischen und Norwegischen in Hamburg. Zu ihren Autorinnen zählen Christina Hesselholdt, Sara Stridsberg, Kjersti A. Skomsvold und Johan Harstad. Für ihre Übersetzungen wurde sie mehrfach ausgezeichnet, zuletzt 2019 mit dem Jane-Scatcherd-Preis der Ledig-Rowohlt-Stiftung. Außerdem leitet sie auch Workshops für Nachwuchsübersetzerinnen an den Universitäten in Frankfurt, Münster und Wien.

Laudatio

Für sein Debüt Nach der Sonne erhielt der junge dänische Autor Jonas Eika 2019 den renommierten Preis des Nordischen Rates. Es läge nahe, von einem literarischen Shooting Star zu sprechen, hätte man nicht das Gefühl, dass solche Worthülsen zu einer alten Ordnung gehören, die in Jonas Eikas Erzählungen längst in Auflösung begriffen ist. Eikas Texte spielen in einer globalisierten Gegenwart, in Bukarest oder London, in Nevada oder Mexiko, seine Figuren arbeiten als IT-Berater oder Beach Boys, handeln mit Drogen oder Derivaten, sind rastlos in Bewegung oder suchen die Nähe anderer Körper. Doch diese präzise skizzierte und sinnlich konkrete moderne Welt verrutscht, irgendwas stimmt da nicht, die Figuren beschleicht immer wieder ein Gefühl der Unwirklichkeit, sie suchen nach Halt und Zugehörigkeit, während die Handlung ins Fantastisch-Dystopische kippt. Das Flirrende, Fluide dieser Texte, das Changieren zwischen wiederkennbarer Welt und unerhörten Vorgängen in eine frische, klare, so zeitgemäße wie zeitlose Sprache gebracht zu haben ist das große Verdienst Ursel Allensteins. Ihre Übertragung entwickelt einen unmittelbaren Sog, wechselt mühelos zwischen innerem Erleben und äußerer Wahrnehmung, findet treffsicher das richtige Register für mündliche Rede und poetische Bilder, nie überladen, nie peinlich und immer klangvoll. Da liegen nach einem Streit zwei „steif und trotzig in der Stille“, „die Luft erstarrt“. Da ist die Welt „steril und konturlos und saukalt“, da zeigt sich beim Blick aus dem Zug „ein zaghaftes, strömendes, orangefarbenes Licht in den Blättern und auf den Schienen und den Körpern der Gleisarbeiter, als hätten sie nach dem Schlaf noch nicht zu sich zurückgefunden.“ Dass wir mit Jonas Eika aus uns heraustreten und – zumindest vorerst – zu uns zurückfinden dürfen, das verdanken wir Ursel Allensteins wunderbar geglückter und eindeutig preiswürdiger Übersetzung.
Britt Somann-Jung