Sven Lenz, Foto: privat
Sven Lenz, Foto: privat

Sven Lenz wird für seine Erzählung »Nebenrolle« ausgezeichnet

»Ihr Englisch war bescheiden, aber sie war seit mehr als zwanzig Jahren Profi. Ihre Rolle hier war klar: Österreichische Schauspielerin, nominiert für einen Preis in einer Nebenrolle.«

Sven Lenz, geboren 1965 in Hamburg als Sven Lange. Autor, Redakteur, Herausgeber diverser Schülerzeitungen und Fanzines. Texter, Sänger und Gitarrist in verschiedenen Bands. Produzent von Werbemusik. Künstlerische, technische und organisatorische Mitarbeit an der Hamburgischen Staatsoper: Statist, Tänzer, Beleuchter, Bühnenwerker, Dolmetscher, Regie- (u. a. bei Bob Wilson) und Bühnenbildassistent. Abgeschlossenes Philosophiestudium M.A. phil. Universität Hamburg (»Evolution und Ethik: genetische Dispositionen für Moral«). Regieassistent an den Bühnen der Stadt Köln. Leiter des ARTheaters in Köln. Autor, Regisseur, Produzent der freien Gruppe THEATER TIEFBLAU. Danach Theaterkritik, Scriptcoaching, Lehrer für kreatives Schreiben, Theater-Manager auf Kreuzfahrtschiff, Leben und Arbeiten in Berlin, Essen, seit 2008 wieder in Hamburg. 2012 verheiratet Sven Lenz. Seit 2008 Geschäftsführer der Café Royal Kulturstiftung.

Laudatio

In der Erzählung »Nebenrolle« nimmt uns der Autor Sven Lenz mit nach Holly-
wood, auf den Roten Teppich der Oscar-Verleihung. Wir begleiten die österreichische Schauspielerin Elisabeth Schneider, eigentlich bekannt als Fernseh-Kommissarin, die aber an diesem Tag nominiert ist als beste Nebendarstellerin für ihre Rolle als – wie sonst machen deutschsprachige Schauspieler Karriere in Hollywood – Eva Braun in einem Nazifilm. Sven Lenz gelingt es in seiner in erlebter Rede geschriebenen Kurzgeschichte meisterhaft, den Leser die Gefühlsachterbahn seiner Protagonistin mitspüren zu lassen, von der Ankunft im Blitzlichtgewitter der Fotografen über den Moment der Verkündung bis hin zum Showdown auf dem Damenklo mit der unterlegenen Konkurrentin. Lenz be-herrscht das schreiberische Handwerk und entwirft mit Elisabeth Schneider auf wenigen Textseiten eine glaubhafte Figur, über die er Themen wie die Rolle von Frauen in Hollywood, den Einfluss von Herkunft und Sozialisation und die tiefe Angst vor dem Scheitern verhandelt, garniert mit kennt-nisreichen und bissigen Seitenhieben auf die Mechanismen der Filmindustrie. Die Jury urteilt: Eine Kurzgeschichte, wie sie sein soll, und gratuliert Sven Lenz zum Hamburger Literaturpreis 2019 in der Kategorie Erzählung.
Judith Liere

»Nebenrolle« Textauszug

Seht mich an! Hochgesteckte Haare. Kleine Perlen in den Ohrläppchen. Ein Kleid, das nicht zuviel Haut zeigte. Schlichte Eleganz war ihr Thema. Ein Hauch von Tiefe und Bescheidenheit. Sie konkurrierte nicht mit den jungen Dingern: Wer ist die Schönste hier im Land? Hier ging es um: Wer ist die beste supporting actress in diesem Jahr. Sie konkurrierte mit der besten Schauspielerin der Welt!
Sie und ich und der goldene Mann mit dem Schwert.
Das war das Unglaubliche. Das Aufregende. Und letztlich der Grund, warum sie doch hergekommen war. Um ihr zu begegnen. Auf Augenhöhe mindestens.
Nicht dass man der besten Schauspielerin der Welt wirklich auf Augenhöhe begegnen konnte. War sie doch schon etliche Mal nominiert gewesen. Hatte drei der Preise mitgenommen. Unendlich viele andere Trophäen auch. Und das zu Recht. Mehr als verdient. Sie würden sich begegnen. Heute nach der Show. Auf der Party. Vielleicht ja vorher schon. Hier auf dem roten Teppich. Oder drinnen. Im Saal.
Der Gedanke verpuppte sich, ließ sich verschlucken und rutschte ihren schmalen Hals herunter. Kroch durch die Brust bis in den Unterleib. Er suchte sich ein Eckchen im Hohlraum der Figur, die Elisabeth geschaffen hatte aus sich selbst. Und brütete sich dort aus zu einer flatterhaften Unruhe, die die Tunnelwände touchierte. Elisabeth spannte ihren Bauch dagegen an. Nach innen.
Das ist der Jetlag. Das ist nur die Müdigkeit.
Weil sie die Dreharbeiten nicht unterbrechen wollte. Weil sie das Team nicht im Stich lassen wollte. Weil sie eine verlässliche Arbeiterin war. Bis der Regisseur zu ihr sagte: »Fahr hin, verdammt noch mal, es sind die wichtigsten Preise der Welt! Der Heilige Grund! Die kommen auch ein paar Tage ohne Kommissarin Rebekka Turing aus